MYZEL (2024)

Performance-Spaziergang in eine spekulative Zukunft des Fungizäns in 5 Akten
Post-anthropozentrischer Zirkus Teil III

Fungi-Fiction

In Zusammenarbeit mit den Wald-Pilzen kreieren wir Fungi-Fiction. Das Publikum kommuniziert mit dem weltumspannenden Myzel. Gemeinsam treten wir in symbiotische Beziehung zu diversen Pilzen, um die Naturkatastrophen der nächsten Jahrhunderte zu überleben. Bei diesem Spaziergang darf man spüren, schmecken, riechen und sich ein bisschen gruseln.

70 Minuten immersive Performance
Open Air, 1,5 km Wald-Spaziergang

 

Termine

Sneak Preview: Freitag, 8. November 2024 / 14.00
Premiere: Samstag, 9. November 2024 / 14.00
Sonntag, 10. November 2024 / 11.00 und 14.00

Ort: Forstenrieder Park
Treffpunkt am Eingang “Wildpark Forstenried Ludwigs Geräumt”, Buchenhain bei München.

Tickets: Reservierung via Eventbrite Spende 1 -25 Euro

Für weitere Buchungen gilt: 
Diese Performance entsteht jedes Mal ganz neu, je nachdem, welche Myzel-Netzwerke mit uns kooperieren und was die Pilze uns ermöglichen.
Vorbereitungszeit ca. 3 Tage vor Ort. Spieldauer ca. 70 Min. bei Tageslicht

Stückbeschreibung

Wir schreiben das Jahr 2224. Die Erde hat sich radikal verändert:
Nach den Umweltkatastrophen des 21. Jahrhunderts überwuchern Myzele die Ruinen des Anthropozäns, ernähren sich von den Giften, die der Kapitalismus hinterlassen hat und heilen die Wunden, die die Menschheit in die Erde gerissen hat. Pilze haben die Weltherrschaft übernommen und ihre kommunikativen Fähigkeiten ausgebaut. Aus allem, was sie finden, kreieren sie ungeahnte Lebensformen. Das „Anthropozän“ ist durch das „Fungizän“ ersetzt worden. Fungi entscheiden in ihren weltumspannenden Myzel-Netzwerken, was lebt, wer verdaut wird und wie es sich wieder zusammensetzt. Nur Pilz-Verbündete werden überleben.
Die wenigen Menschen, die das Klimachaos, Artensterben, Kriege und Pandemien überlebt haben, sind zu Myzel-Kollaborateur*innen geworden. Sie haben das Wissen der Waldschrate wiederbelebt, mit wissenschaftlichen Erkenntnissen der Mykologie vermischt und gelernt, mit den Pilzen zu kommunizieren. Nur so ist es ihnen gelungen, das Chaos des Umbruchs zu überleben.
Im Wald treffen wir einige dieser Menschen und dürfen an ihrem Wissen teilhaben, sie führen uns ein in die Pilz-Kommunikation, damit wir am neuen Fungizän teilhaben können.

Inszenierung

Die Performance beginnt mit einer Verwandlung: Die Teilnehmer*innen beißen ein Stück von einem (essbaren) Pilz ab und werden dadurch in eine spekulative Zukunft des Jahres 2224 transportiert. Sie werden von zwei, in Symbiose mit den Pilzen verbundenen Personen, in Empfang genommen. Ihre Körper sind mit pilzartigen Strukturen bewachsen. Sie tragen lamellen-artige Mykorrhiza-Umhänge aus Pilz-Leder und kommunizieren mit den Pilz-Netzwerken in ihrer Umgebung.

Die beiden führen uns von den Wegen hinein in den Wald. Die Allgegenwart der Pilze erzählt von den Geschehnissen des vergangenen Anthropozäns. Das Klicken von mitgeführten Geigerzählern ertönt und erinnert uns an die radioaktiven Regenfälle nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl. Das Klicken der Messinstrumente verbindet Vergangenheit mit Zukunft und wird zusammen mit den Geräuschen des Waldes zum Soundtrack der Performance.

Auf unserem Weg durch das Unterholz wechseln sich poetische Textpassagen mit interaktiven Spielszenen und körperlichen Erfahrungen ab. Die Performer*innen verleiten die Gruppe dazu, ihre multisensorische Achtsamkeit zu trainieren, um im Fungizän überlebensfähig zu werden.
Dazu müssen die Teilnehmer*innen lernen, die Pilze mit allen Sinnen wahrzunehmen: wir hören, riechen, berühren und schmecken. Kollektiv erspüren die Teilnehmer*innen die Myzele (Pilzgeflechte) im Boden, sie nehmen das verbindende Netzwerk wahr und verlieren sich in der Erde.

Hintergrund

MYZEL ist eine post-anthropozentrische Zirkus-Produktion von Ella von der Haide und Nicola von Thurn, 2024. Nach der erfolgreichen Entwicklung „Cirque du Soil“ (2022/23) und W.A.L.D. (2024) aus der post-anthropozentrischen Zirkus-Reihe, wenden wir uns den Pilzen zu.

Eine wichtige Inspiration für unsere Performance ist Donna Haraway und ihr feministischer SF Ansatz der Spekulativen Fiktion. Wir folgen ihr darin, indem wir durch unsere Arbeit neue Denkräume und Handlungsmöglichkeiten eröffnen.

Impulse bezieht das Performance-Kollektiv unter anderem aus den aktuellen neo-materialisitisch/feministischen und visionären Veröffentlichungen zu Pilzen:

  • „Der Pilz am Ende der Welt: Über das Leben in den Ruinen des Kapitalismus“ (2019) von Anna Lowenhaupt Tsing
  • „Verwobenes Leben: Wie Pilze unsere Welt formen und unsere Zukunft beeinflussen“ (2020) von Merlin Sheldrake
  • „Let’s Become Fungal! Mycelium Teachings and the Arts: Based on Conversations with Indigenous Wisdom Keepers, Artists, Curators, Feminists and Mycologists“ (2023) Yasmine Ostendorf-Rodríguez

Was ist der Post-anthropozentrische Zirkus?

Wir dezentrieren die menschlichen Perspektiven, mischen wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Mykologie mit lokalem traditionellem Wissen über das Pilzesammeln und versuchen die Wahrnehmung für Fungi zu steigern. Für unsere dramatische Arbeit gehen wir auf die aktuellen diffusen Ängste vor dem Klimawandel und der ungewissen Zukunft ein und spielen mit den fantastischen Möglichkeiten neuer Allianzen mit mehr-als-menschlichen Lebewesen. Diese Form des fantastischen interspecies-world-making nehmen wir dabei sehr ernst.

Unser Ziel ist die Weiterentwicklung einer Aufführungspraxis, die ein alternatives Natur-Kultur-Verhältnis widerspiegelt und neue Sichtweisen auf die ökologischen und sozialen Probleme unserer Zeit bietet. Wir suchen nach Alternativen zu anthropo- und eurozentrischen Sichtweisen und verstehen unsere Arbeit als künstlerischen Beitrag zu queer-feministischer Ökologie und dekolonialer Botanik. Unser Ziel ist es, diese beiden Felder durch unsere künstlerisch-kreative Arbeit aus den Universitäten und dem wissenschaftlichen Diskurs hinaus zu tragen und für ein breiteres Publikum erfahrbar zu machen. Dazu gehört, dass wir Pilze als Akteur*innen ernst nehmen und erlebbar machen wollen, ohne sie zu anthropomorphisieren.

Künstlerische Leitung und Regie: Ella von der Haide und Nicola von Thurn

Performance: Ella von der Haide, Nicola von Thurn, Annette Kulp und Karin Weixler
Ausstattung, Kostüm und Bühnenbild: Pilze zusammen mit Nicola von Thurn
Musik: Bäume, Wind, Regen und Geigerzähler
Mykologische Recherche: Ella von der Haide
Gestaltung: Nicola von Thurn
Öffentlichkeitsarbeit: Marina Rieger, Eva Weigell

Gefördert durch den Verband freie Darstellende Künste Bayern e.V. im Rahmen der Koproduktionsförderung des „Förderpakets Freie Kunst 2024″ mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst.

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